Hallo zusammen,
ich habe für meine Magisterarbeit eine Umfrage zum Sanitätshaus durchgeführt. Da es sich um ein sehr spezielles Thema handelt fand die Befragung unmittelbar vor den Sanitätshäusern statt. Thema war das Image des Sanitätshauses. Jede 10.te Person die vorbeikam wurde angesprochen.
Mein Problem ist nun, dass es sich ja meines wissens nach nicht um eine zufallsstichprobe handelt, da nur die personen in die stichprobe gelangen konnten, die zum zeitpunkt der befragung in der jeweiligen einkaufsstraße waren. Ist das erstmal soweit richtig gedacht??
Wenn es sich nun nicht um eine Zufallsstichprobe handelt, macht es dann trotzdem sinn, wenn ich die normalverteilung, regression und ähnliches teste?
Passantenbefragung
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re
Passantenbefragungen werden von einzelnen Mafo-Instituten routinemäßig durchgeführt. Wohl mit der Begründung, dass die Passanten großer Einkaufsstrassen repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sind. Letztlich ist bei Befragungen immer mit einer Verzerrung zu rechnen:
-Telefon (RDD): nicht jeder hat eins oder ist darüber erreichbar (oder hat mehrere)
-Mail: siehe oben
- Random Route: zu aufwändig und HH-Größen sind nicht klar
(etc.)
Dann die unterschiedliche Response-Bereitschaft (Geschlecht, Bildung, Region)
Gruß
-Telefon (RDD): nicht jeder hat eins oder ist darüber erreichbar (oder hat mehrere)
-Mail: siehe oben
- Random Route: zu aufwändig und HH-Größen sind nicht klar
(etc.)
Dann die unterschiedliche Response-Bereitschaft (Geschlecht, Bildung, Region)
Gruß
drfg2008
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Re: Passantenbefragung
Hallo Pully85,
also Repräsentativität ist nicht gegeben, und Du kannst auch keinen Stichprobenfehler berechnen, weil es keine klar umreißbare Grundgesamtheit gibt. Normalerweise sind solche Sachen gar nicht sinnvoll auswertbar, siehe den folgenden Link:
http://www.medialine.de/deutsch/wissen/ ... p?snr=6215
Vgl. dazu auch Schnell/Hill/Esser 1988:247–289 (= Kapitel 6: Auswahlverfahren). Ein Zitat aus dem Buch (Seite 272):
Viele Grüße
jake2042
Literatur
Schnell, Reiner, Paul B. Hill und Elke Esser, 1988: Methoden der empirischen Sozialforschung. München: Oldenbourg
also Repräsentativität ist nicht gegeben, und Du kannst auch keinen Stichprobenfehler berechnen, weil es keine klar umreißbare Grundgesamtheit gibt. Normalerweise sind solche Sachen gar nicht sinnvoll auswertbar, siehe den folgenden Link:
http://www.medialine.de/deutsch/wissen/ ... p?snr=6215
Vgl. dazu auch Schnell/Hill/Esser 1988:247–289 (= Kapitel 6: Auswahlverfahren). Ein Zitat aus dem Buch (Seite 272):
Du schreibst jetzt aber, dass es sich »um ein sehr spezielles Thema« handelt, nämlich um das Image des Sanitätshauses. In diesem Fall könnte eine Auswertung doch vertretbar sein, wenn es Dir nicht auf die Repräsentativität der Ergebnisse ankommt (wie bei dem Beispiel mit dem Supermarktregal am Ende des Textes, auf den der Link verweist.)»Dieser leider weit verbreiteten Auswahlmethode bedienen sich unter anderem Rundfunkanstalten in ihren Höhrerbefragungen, Marktforschungsunternehmen, die ihre Befragungen vor der Eingangstür ihres Unternehmens rekrutieren, Sozialpädagogen, die Aussagen über alle Kinder türkischer Arbeitsmigranten aus einer Stichprobe der Besucher ihrer Deutschkurse ableiten und Sozialwissenschaftler, die Aussagen über Sozialpädagogen aus der Stichprobe der ihnen bekannten Sozialpädagogen ableiten. [...] Aussagen auf der Basis einer willkürlichen Auswahl genügen elementaren wissenschaftlichen Ansprüchen nicht.«
Viele Grüße
jake2042
Literatur
Schnell, Reiner, Paul B. Hill und Elke Esser, 1988: Methoden der empirischen Sozialforschung. München: Oldenbourg
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re
Normalerweise sind solche Sachen gar nicht sinnvoll auswertbar
Das ist ein sehr theoretischer Standpunkt. Meine Erfahrung mit Gelegenheitsstichproben ist die, dass bei nachträglichen Vergleichen anhand relevanter Hintergrundvariablen die Gelegenheitsstichprobe keineswegs sonderlich verzerrt sein muss. Andere Stichprobenverfahren sind in der Praxis nicht notwendigerweise sonderlich besser, da diese auch mit Problemen behaftet sind. Wenn Menschen nicht freiwillig antworten (nur weil sie in irgend einer Urliste auftauchen), dann geben sie falsche Antworten oder verweigern.
Das nur als Beispiel.
Gruß
drfg2008
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Re: Passantenbefragung
Hallo drfg2008,
was hast Du gegen Theorie? Ich meine, es ist doch so, dass Du über jeden Fehler in der Theorie unweigerlich in der Praxis stolperst. Also musst Du die Dinge immer erst theoretisch klären, bevor Du etwas in die Praxis umsetzen kannst. Jedenfalls solltest Du das tun. [1] Du schreibst:
Es kann nämlich immer sein, dass es entweder Variablen gibt, die Du nicht erhoben hast, oder welche, für die es keine Vergleichswerte beispielsweise beim statistischen Bundesamt gibt (geben kann), die zu systematischen (nicht zufälligen) Abweichungen Deiner Stichprobenergebnisse von den Verhältnissen in der Grundgesamtheit führen. Um den vorliegenden Fall von Pully85 zu nehmen: es kann ja beispielsweise durchaus sein, dass sich vor dem Sanitätshaus selbst im Vergleich zur Bevölkerung der Stadt, in der es steht, deutlich mehr Menschen aufhalten, für die es ein gutes Image hat. Wenn Pully85 jetzt nur vor dem Sanitätshaus fragt, könnte es sein, dass er eben in dieser Richtung verzerrte Ergebnisse bekommt, auch wenn die von ihm erhobenen soziodemographischen Daten mit den entsprechenden Verteilungen in der Stadtbevölkerung annähernd übereinstimmen sollten. Das muss nicht so sein. Der Punkt ist aber, dass Pully85 gar nicht feststellen kann, ob das so ist oder nicht. [2]
Selbstverständlich haben andere Auswahlverfahren ebenfalls ihre Probleme. Auch in der empirischen Sozialforschung wird nur mit Wasser gekocht, einen Houdini gibt es da nicht. Allerdings kannst Du nur durch eine Zufallsauswahl [3] sicherstellen, dass die Abweichungen, die Du in einer Stichprobe gegenüber der (angestrebten) Grundgesamtheit immer hast, eben zufällig und nicht systematisch verzerrt sind. Nur in diesem Fall kannst Du auch Deinen Stichprobenfehler berechnen und so feststellen, ob Deine Daten eigentlich noch brauchbar sind oder nicht.
Dass Menschen nicht immer die Wahrheit sagen, wenn sie befragt werden, ist richtig, hat aber als solches zunächst nichts mit dem Auswahlverfahren zu tun. Es gibt zum Beispiel bei Befragten die Tendenz, nett zum Interviewer zu sein und deshalb zu sagen, was der Interviewer (nach Wahrnehmung der Befragten) hören will [4] oder auch Antworten zu vermeiden, die sozial geächtete Einstellungen oder Verhaltensweisen erkennen lassen. [5]. Soweit erst mal.
Viele Grüße
jake2042
[1]
Wenn Du zum Beispiel wissen willst, aus welchen Komponenten ein Computer besteht, nützt es Dir gar nichts, einfach das Gehäuse aufzuschrauben und reinzuschauen, weil Du dann gar nicht weißt, was Du da eigentlich siehst. Du solltest Dich schon mit dem von-Naumann-Modell vertraut gemacht haben und auch etwas darüber, was auf theoretischer Ebene ein Automat ist, über das EVA-Prinzip, über Algorithmen und über die Turing-Maschine wissen, bevor Du einen Schraubenzieher überhaupt in die Hand nimmst. Nur so herum ist das sinnvoll.
[2]
Genau das ist auch das zentrale Problem bei Quotenauswahlen. Wenn also z. B. beim Politbarometer im Fernsehen der Moderator etwas von einer »repräsentativen Quotenauswahl« sagt, dann ist das eher ein Witz. Eine contradictio in adjecto nämlich.
[3]
Nicht für Dich, aber für alle, die nicht wissen, was eine Zufallsauswahl ist: Stellt Euch eine Urne mit einer definierten und klar umrissenen Anzahl Kugeln vor. Aus dieser Urne zieht Ihr jetzt per Zufall eine kleinere Anzahl Kugeln. Wichtig ist, dass der Ziehungsprozess tatsächlich zufallsgesteuert ist (»Der Aufsichtsbeamte hat sich vor der Ziehung vom ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes überzeugt«
) und dass es eben diese Urne (eine definierte, klar umgrenzte Grundgesamtheit) gibt. Es kann sich auch um Kugeln handeln, die wiederum eine Anzahl kleinerer Kugeln enthalten, die dann in einem zweiten Schritt aus den gezogenen größeren Kugeln per Zufall gezogen werden. Wichtig in diesem Fall ist, dass alle größeren Kugeln genau gleich viele kleinere Kugeln enthalten.
[4]
Das war zum Beispiel der Grund für das Demoskopiedebakel bei der ersten (und letzten) freien Volkskammerwahl 1990. Die Vorliebe der Medien für die SPD war bekannt, weshalb viele der von den Wahlforschungsinstituten befragten Menschen in dieser Richtung geantwortet hatten. Gewonnen hat bekanntermaßen die CDU.
[5]
So wirst Du – jedenfalls, wenn Du direkt fragst – nie ehrliche Antworten auf Fragen wie »Schauen Sie gerne Sexfilme?« (bei Männern), »Sind Sie rechtsextrem?« oder »Schlagen Sie Ihre Frau?« bekommen. In solchen Fällen musst Du entweder Fragebatterien (»Skalen«) entwerfen, die so etwas wie eine rechtsextreme oder rassistische Einstellung indirekt messen, oder auf qualitative (beispielsweise diskursanalytische) Methoden der Sozialforschung zurückgreifen. Letzteres ist aber ebenfalls mit teilweise erheblichen methodischen Problemen verbunden.
was hast Du gegen Theorie? Ich meine, es ist doch so, dass Du über jeden Fehler in der Theorie unweigerlich in der Praxis stolperst. Also musst Du die Dinge immer erst theoretisch klären, bevor Du etwas in die Praxis umsetzen kannst. Jedenfalls solltest Du das tun. [1] Du schreibst:
Dabei stellen sich mir gleich zwei Fragen: Zum einen, womit Du eigentlich nachträglich vergleichst und zum anderen, was »relevante Hintergrundvariablen« sein sollen. Ich nehme jetzt mal an, dass Du eine Reihe soziodemographischer Variablen wie Geschlecht, Alter, Einkommen, soziale Schicht usw. nimmst, deren Verteilungen mit den Verteilungen der entsprechenden Variablen in der Gesamtbevölkerung nach Zahlen vom statistischen Bundesamt (http://www.destatis.de) vergleichst und dann annimmst, dass Deine Ergebnisse repräsentativ sind, wenn es keine signifikanten Unterschiede in diesen Variablen zwischen Deiner Stichprobe und der Gesamtbevölkerung gibt. Das aber ist ein Fehlschluss.»Meine Erfahrung mit Gelegenheitsstichproben ist die, dass bei nachträglichen Vergleichen anhand relevanter Hintergrundvariablen die Gelegenheitsstichprobe keineswegs sonderlich verzerrt sein muss.«
Es kann nämlich immer sein, dass es entweder Variablen gibt, die Du nicht erhoben hast, oder welche, für die es keine Vergleichswerte beispielsweise beim statistischen Bundesamt gibt (geben kann), die zu systematischen (nicht zufälligen) Abweichungen Deiner Stichprobenergebnisse von den Verhältnissen in der Grundgesamtheit führen. Um den vorliegenden Fall von Pully85 zu nehmen: es kann ja beispielsweise durchaus sein, dass sich vor dem Sanitätshaus selbst im Vergleich zur Bevölkerung der Stadt, in der es steht, deutlich mehr Menschen aufhalten, für die es ein gutes Image hat. Wenn Pully85 jetzt nur vor dem Sanitätshaus fragt, könnte es sein, dass er eben in dieser Richtung verzerrte Ergebnisse bekommt, auch wenn die von ihm erhobenen soziodemographischen Daten mit den entsprechenden Verteilungen in der Stadtbevölkerung annähernd übereinstimmen sollten. Das muss nicht so sein. Der Punkt ist aber, dass Pully85 gar nicht feststellen kann, ob das so ist oder nicht. [2]
Selbstverständlich haben andere Auswahlverfahren ebenfalls ihre Probleme. Auch in der empirischen Sozialforschung wird nur mit Wasser gekocht, einen Houdini gibt es da nicht. Allerdings kannst Du nur durch eine Zufallsauswahl [3] sicherstellen, dass die Abweichungen, die Du in einer Stichprobe gegenüber der (angestrebten) Grundgesamtheit immer hast, eben zufällig und nicht systematisch verzerrt sind. Nur in diesem Fall kannst Du auch Deinen Stichprobenfehler berechnen und so feststellen, ob Deine Daten eigentlich noch brauchbar sind oder nicht.
Dass Menschen nicht immer die Wahrheit sagen, wenn sie befragt werden, ist richtig, hat aber als solches zunächst nichts mit dem Auswahlverfahren zu tun. Es gibt zum Beispiel bei Befragten die Tendenz, nett zum Interviewer zu sein und deshalb zu sagen, was der Interviewer (nach Wahrnehmung der Befragten) hören will [4] oder auch Antworten zu vermeiden, die sozial geächtete Einstellungen oder Verhaltensweisen erkennen lassen. [5]. Soweit erst mal.
Viele Grüße
jake2042
[1]
Wenn Du zum Beispiel wissen willst, aus welchen Komponenten ein Computer besteht, nützt es Dir gar nichts, einfach das Gehäuse aufzuschrauben und reinzuschauen, weil Du dann gar nicht weißt, was Du da eigentlich siehst. Du solltest Dich schon mit dem von-Naumann-Modell vertraut gemacht haben und auch etwas darüber, was auf theoretischer Ebene ein Automat ist, über das EVA-Prinzip, über Algorithmen und über die Turing-Maschine wissen, bevor Du einen Schraubenzieher überhaupt in die Hand nimmst. Nur so herum ist das sinnvoll.
[2]
Genau das ist auch das zentrale Problem bei Quotenauswahlen. Wenn also z. B. beim Politbarometer im Fernsehen der Moderator etwas von einer »repräsentativen Quotenauswahl« sagt, dann ist das eher ein Witz. Eine contradictio in adjecto nämlich.
[3]
Nicht für Dich, aber für alle, die nicht wissen, was eine Zufallsauswahl ist: Stellt Euch eine Urne mit einer definierten und klar umrissenen Anzahl Kugeln vor. Aus dieser Urne zieht Ihr jetzt per Zufall eine kleinere Anzahl Kugeln. Wichtig ist, dass der Ziehungsprozess tatsächlich zufallsgesteuert ist (»Der Aufsichtsbeamte hat sich vor der Ziehung vom ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes überzeugt«

[4]
Das war zum Beispiel der Grund für das Demoskopiedebakel bei der ersten (und letzten) freien Volkskammerwahl 1990. Die Vorliebe der Medien für die SPD war bekannt, weshalb viele der von den Wahlforschungsinstituten befragten Menschen in dieser Richtung geantwortet hatten. Gewonnen hat bekanntermaßen die CDU.
[5]
So wirst Du – jedenfalls, wenn Du direkt fragst – nie ehrliche Antworten auf Fragen wie »Schauen Sie gerne Sexfilme?« (bei Männern), »Sind Sie rechtsextrem?« oder »Schlagen Sie Ihre Frau?« bekommen. In solchen Fällen musst Du entweder Fragebatterien (»Skalen«) entwerfen, die so etwas wie eine rechtsextreme oder rassistische Einstellung indirekt messen, oder auf qualitative (beispielsweise diskursanalytische) Methoden der Sozialforschung zurückgreifen. Letzteres ist aber ebenfalls mit teilweise erheblichen methodischen Problemen verbunden.