Bodeneffekt und Moderationsanalyse

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bonsai90
Beiträge: 3
Registriert: 11.06.2021, 20:43

Bodeneffekt und Moderationsanalyse

Beitrag von bonsai90 »

Hallo!

Ich weiß nicht, ob meine Frage nicht vielleicht zu "un-statistisch" für das Forum hier ist, da interpretationsbezogen und nicht direkt analysebezogen, aber ich dachte, ich versuche einfach mal mein Glück. (Hinweis: Ich hab die gleiche Frage auch schon in einem anderen Statistik-Forum gestellt, da aber bisher noch keine Antwort erhalten. Nur falls es jemandem negativ auffällt, dass ich "doppelt poste".)

Und zwar Folgendes:
Ich schreibe momentan meine Masterarbeit und rechne dort u.a. eine Moderationsanalyse. Meine Variablen sind mit Fragebögen erfasste Konstrukte, zu denen u.a. die Depressivität der Teilnehmer gehört, die ich über den BDI-II-Fragebogen erfasst habe. Die Moderationsanalyse habe ich mit der Depressivität als Kriterium durchgeführt, dem Grübeln einer Person als Prädiktor und mit dem Kohärenzgefühl (ein Resilienzfaktor) als Moderator. Daraus hat sich tatsächlich ein signifikanter Effekt ergeben. Je niedriger das Kohärenzgefühl, desto stärker ist der Zusammenhang zwischen Grübeln und Depression bzw. umso steiler die Steigung der Regressionsgerade.

Nun ist es aber so, dass in meiner Untersuchung ein Bodeneffekt für den BDI-II auftritt. Das habe ich gemerkt, als ich den Zusammenhang zwischen Kohärenzgefühl und Depressivität in einem Streudiagramm abgebildet habe. Meine Stichprobe setzt sich aus gesunden Probanden zusammen und im unteren, d.h. nicht depressiven Wertebereich scheint der BDI-II ab einem gewissen Stimmungsbild offenbar nicht gut differenzieren zu können, weshalb die Punktewolke (bei höher werdenden Werten im Kohärenzgefühl) horizontal abknickt. Zwischen "einfach nicht depressiv, aber auch nicht glücklich" (niedriger BDI-II-Wert + niedriges Kohärenzgefühl) und "nicht depressiv und quasi glücklich" (niedriger BDI-II-Wert + hohes Kohärenzgefühl) kann der BDI-II offenbar nicht gut unterscheiden. Jetzt meine Frage: Kann mir hier jemand einen Rat geben, wie ich den Moderationseffekt unter Berücksichtigung des Bodeneffekts interpretiere? Oder mir sagen, wo ich speziell diesen Sachverhalt nachschlagen kann?

Mein Betreuer meinte, dass dieser Bodeneffekt eine komplett andere Interpretation meiner Analysen nahelege, aber genaueres hat er erstmal nicht dazugesagt und ich will nicht zuviel nachfragen, da es sonst Punktabzug bzgl. Selbstständigkeit meiner Arbeit geben könnte. Ich komme aber einfach nicht drauf, inwiefern dadurch eine "komplett andere Interpretation" zustande kommen soll. Vielleicht hat hier schon mal jemand ein ähnliches Ergebnis herausbekommen und kann mir weiterhelfen?

Viele Grüße, bonsai90
dutchie
Beiträge: 2767
Registriert: 01.02.2018, 10:45

Re: Bodeneffekt und Moderationsanalyse

Beitrag von dutchie »

Hallo bonsai90,
bonsai90 hat geschrieben:
11.06.2021, 20:51
"doppelt poste"
..kein Problem, warum auch? Hier wird nicht gemobbt, und niemand hat ein Problem mit einer zweiten Meinung!

Also erstmal das Buch der Wahl:
Hayes, A. F. (2018). Mediation, Moderation, and Conditional Process Analysis. (2nd ed.). New York, NY: Guilford.

Dort findet sich folgendes "Johnson-Neyman solution" zur Beurteilung der sig. von Moderatoren, in PROCESS ist das enthalten.
PROCESS ist ein Programm für SPSS von Hayes, vielleicht hilft das ja schon...

Mir scheint es gibt nicht nur ein Problem mit der Interpretation des Modells,
sondern auch mit der Interpretation des Betreuers :( .

Erstmal wundert mich, dass da was sig wird, nicht die einzelnen Prädiktoren sondern die Interaktion.
Die Interaktion müsste hoch mit den Interaktionstermen korrreliern und wengen Multikoli sollte das eigentlich nicht
sig sein (wäre gut, weil dann gäbe es auch kein Problem mit der Interpretation)

Zudem sind die Variablen hinsichtlich Wirkrichtung nicht klar, Theoretisch ja, aber praktisch hat ein
Depressiver eine niedrige Kohärenz, weil der depressiv ist...zudem müssten Grübeln und Köhärenz negativ korrelieren.
tuts das? Insofern frag ich mich gerade ob da nicht der Eine ein Mediator des anderen ist?

Die Beschreibung deiner Punktewolke gibt Rätsel auf:

Das ist kein Bodeneffekt, links von BDI = 0 gibt's nix, gesünder geht nicht, du hat eine rechtsschiefe Verteilung
aber nicht wegen eines Bodeneffekts.
Ein Bodeneffekt schränkt die freie Variation eines Merkmals durch den Messvorgang ein.
Deine AV ist einfach nur schief ! Das sollte sie aber nicht sein, meint das dein Betreuer? Das entspricht
nicht den Vorraussetzungen der lin Regression, zumindest kann man das so sehen, wenn man will.
Aber wie sollte eine schiefe UV die Interpretation des Moderators beeinflussen?

Dann ist mir nicht klar was gemeint ist mit der "..BDI kann nicht gut differenzieren.."?

Der BDI differenziert zwischen Depressionswerte und nicht in einer Punktewolke mit Kohärenz.

Vielleicht meinst du, dass Werte fehlen? Lücken, Löcher in der Wolke sind.
Zudem ist die Wolke nicht elliptisch sondern eher L Förmig (mit BDI auf der x Achse, abknickt?),
weil: bei niedriger Depri gibt es Leute, sowohl mit hoher als auch mit niedriger Kohärenz,
bei hoher Depri aber nur mit niedriger Kohärenz.
Das heißt, dass korreliert nicht, weil es linear ist, sondern weil es eine gewisse Datenkonstellation nicht gibt.
Dann führt das Modell in die Irre und lineare Regression wäre suboptimal, dann wundert aber, warum es sig wird,
Stichprobengröße ?

Also die Wolke ist schief und knickt ab, so etwa?:

https://ibb.co/jWZV77n

Das korrliert auch...R2 = .15 (negativ) ist aber nicht linear!!!

so weit so gut...

gruß
dutchie
bonsai90
Beiträge: 3
Registriert: 11.06.2021, 20:43

Re: Bodeneffekt und Moderationsanalyse

Beitrag von bonsai90 »

Hallo dutchie,

vielen Dank für deine Antwort!
..kein Problem, warum auch? Hier wird nicht gemobbt, und niemand hat ein Problem mit einer zweiten Meinung!
Dann ist ja gut. :)
Also erstmal das Buch der Wahl:
Hayes, A. F. (2018). Mediation, Moderation, and Conditional Process Analysis. (2nd ed.). New York, NY: Guilford.

Dort findet sich folgendes "Johnson-Neyman solution" zur Beurteilung der sig. von Moderatoren, in PROCESS ist das enthalten.
PROCESS ist ein Programm für SPSS von Hayes, vielleicht hilft das ja schon...
Danke für den Tipp! Mit PROCESS hab ich meine Moderationsanalyse tatsächlich auch gerechnet, aber das mit der Johnson-Neyman solution ist mir neu.
Die Interaktion müsste hoch mit den Interaktionstermen korrreliern und wengen Multikoli sollte das eigentlich nicht
sig sein (wäre gut, weil dann gäbe es auch kein Problem mit der Interpretation)
Das verstehe ich gerade nicht ganz. Unter Interaktionsterm verstehe ich "zPrädiktor*zModerator", aber inwiefern soll der denn mit der Interaktion (als Ganzes?!) korrelieren?
Zudem sind die Variablen hinsichtlich Wirkrichtung nicht klar, Theoretisch ja, aber praktisch hat ein
Depressiver eine niedrige Kohärenz, weil der depressiv ist...zudem müssten Grübeln und Köhärenz negativ korrelieren.
tuts das? Insofern frag ich mich gerade ob da nicht der Eine ein Mediator des anderen ist?
Ja, Grübeln und Kohärenzgefühl korrelieren negativ, ebenso wie Depressivität und Kohärenzgefühl. Wie meinst du das denn mit dem Mediator? Mediator des Zusammenhangs zwischen welchen Variablen?
Das ist kein Bodeneffekt, links von BDI = 0 gibt's nix, gesünder geht nicht, du hat eine rechtsschiefe Verteilung
aber nicht wegen eines Bodeneffekts.
Ein Bodeneffekt schränkt die freie Variation eines Merkmals durch den Messvorgang ein.
Deine AV ist einfach nur schief ! Das sollte sie aber nicht sein, meint das dein Betreuer? Das entspricht
nicht den Vorraussetzungen der lin Regression, zumindest kann man das so sehen, wenn man will.
Aber wie sollte eine schiefe UV die Interpretation des Moderators beeinflussen?
Hmm, aber kann man nicht sagen, dass der BDI quasi nur die Abwesenheit von Krankenheit/Depression misst und nur weil man nicht depressiv ist, heißt das noch lange nicht, dass man glücklich ist? Also dass es schon noch (stabile) Unterschiede in der Stimmung von 2 Personen geben kann, auch wenn beide BDI = 0 haben, bzw. dass gesünder als BDI = 0 theoretisch durchaus geht? So habe ich nämlich die Rückmeldung von meinem Betreuer verstanden (von dem ich auch die Idee habe, dass es ein Bodeneffekt ist. Mir selbst wäre das gar nicht aufgefallen, ich hatte die Variablen nur auf einen quadratischen Zusammenhang überprüft, der quadratische Term wurde auch signifikant und mein Betreuer meinte dann angesichts des Streudiagramms, dass das kein quadratischer Zusammenhang, sondern ein Bodeneffekt sei...).
Puh, das mit der Schiefe...dazu hat mein Betreuer nix gesagt.
Dann ist mir nicht klar was gemeint ist mit der "..BDI kann nicht gut differenzieren.."?

Der BDI differenziert zwischen Depressionswerte und nicht in einer Punktewolke mit Kohärenz.
Den Ausdruck hab ich tatsächlich auch von meinem Betreuer. ^^' Er hatte mir in etwa das geschrieben, was ich hier auch dazu geschrieben hatte, nämlich dass der BDI-II ab einem gewissen Stimmungsbild nicht mehr zwischen "nicht depressiv" und "nicht depressiv+glücklich" unterscheidet.
weil: bei niedriger Depri gibt es Leute, sowohl mit hoher als auch mit niedriger Kohärenz,
bei hoher Depri aber nur mit niedriger Kohärenz.
Das heißt, dass korreliert nicht, weil es linear ist, sondern weil es eine gewisse Datenkonstellation nicht gibt.
Das finde ich gerade einen sehr hilfreichen Denkanstoß. Vielleicht meinte mein Betreuer das auch, als er meinte, dass das jetzt eine komplett andere Interpretation der Analysen nahelegt.
Dann führt das Modell in die Irre und lineare Regression wäre suboptimal, dann wundert aber, warum es sig wird,
Stichprobengröße ?
n=200, also eigentlich recht groß...
Also die Wolke ist schief und knickt ab, so etwa?:
Jein, Kohärenz ist bei mir die x-Achse und BDI die y-Achse und die Wolke ist zumindest im linken Teil des Diagramms schon noch ellipsenförmiger, würde ich mal behaupten, sicher bin ich mir aber nicht. Ab einem BDI-Wert von ca. 12 (auf der y-Achse) häufen sich ab einem Kohärenzwert von 45 (x-Achse) dann die Datenpunkte nach rechts hin. Kann man hier irgendwie Bilder hochladen? Dann würde ich das einfach mal machen.

Nochmal danke für deine Antwort, das hat mir schon gut weitergeholfen. :)
dutchie
Beiträge: 2767
Registriert: 01.02.2018, 10:45

Re: Bodeneffekt und Moderationsanalyse

Beitrag von dutchie »

Hallo
bonsai90 hat geschrieben:
12.06.2021, 19:06
Das verstehe ich gerade nicht ganz. Unter Interaktionsterm verstehe ich "zPrädiktor*zModerator", aber inwiefern soll der denn mit der Interaktion (als Ganzes?!) korrelieren?
P * M korreliert mit P und mit M, das Produkt (Moderation, Interaktion) korreliert mit den Faktoren und zwar umsomehr
ja mehr die Faktoren korrelieren.
bonsai90 hat geschrieben:
12.06.2021, 19:06
Mediator des Zusammenhangs zwischen welchen Variablen?
Fehlende Kohärenz (Reileienz)verursacht Grübeln (Coping), das ist eventuell der Grund dafürs Grübeln.
Insofern ist Grübeln Mediator
bonsai90 hat geschrieben:
12.06.2021, 19:06
Hmm, aber kann man nicht sagen, dass der BDI quasi nur die Abwesenheit von Krankenheit/Depression misst und nur weil man nicht depressiv ist, heißt das noch lange nicht, dass man glücklich ist?
Das ist richtig!, aber der BDI misst nur Depressivität, was daraus folgt muss mit einem anderem Test gemessen werden.
bonsai90 hat geschrieben:
12.06.2021, 19:06
bzw. dass gesünder als BDI = 0 theoretisch durchaus geht?
ja.. man kann auch einen Schnupfen haben mit BDI = 0
Du kannst nur aus einer BDI Information nichts anderes folgern als Depressivität,
du kannst Glück und Schnupfen messen, dann korrelieren und im Streudiagramm darstellen...
Aber wir meinen das gleiche...die Punktewolke (meine) sagt:

Depressive sind immer unglücklich (das wurde aber nicht gemessen)
nicht Depressive aber nicht immer glücklich, ....das ist ganz normal so.

Jeder Dackel ist ein Hund, aber nicht jeder Hund ein Dackel.
bonsai90 hat geschrieben:
12.06.2021, 19:06
nämlich dass der BDI-II ab einem gewissen Stimmungsbild nicht mehr zwischen "nicht depressiv" und "nicht depressiv+glücklich" unterscheidet.
... Stimmungsbild (wird das gemessen?) und Glück? :?
unterscheidet?? Schwierig einen Punktewolke durch eine Dimension zu erklären,
das liegt nicht am BDI, der irgendwas können soll (unterscheiden)
sondern am gesagten:

Depressive sind immer unglücklich (das wurde aber nicht gemessen)
nicht Depressive aber nicht immer glücklich, ....das ist ganz normal so.

Das ist Teil der Wirklichkeit und keine Unfähigkeit des BDI.

Das ist aber nur unglücklich formuliert...

So wie der BDI gebaut ist kann er gut "unterscheiden" zwischen BDI <17 und BDI > 17.
Innerhalb Gesunder (deren BDI nicht 0 sein muss :wink: ) braucht der BDI nicht zu unterscheiden,
die sind Gesund auch mit BDI = 7, haben halt Stimmungen...aber all das (wir verstehen und schon)
hat nichts damit zu tun, ob es sinnvoll ist, die Wolke durch eine Gerade zu beschreiben.
zudem die Verteilung der anderen Variablen auch einen Rolle spielt...

...und standardisieren würde ich nicht, das verändert die Varianzen!


gruß
dutchie
bonsai90
Beiträge: 3
Registriert: 11.06.2021, 20:43

Re: Bodeneffekt und Moderationsanalyse

Beitrag von bonsai90 »

Hallo dutchie,

ich hab dir per PN geantwortet + das Streudiagramm geschickt. ;)

Grüße
bonsai90
dutchie
Beiträge: 2767
Registriert: 01.02.2018, 10:45

Re: Bodeneffekt und Moderationsanalyse

Beitrag von dutchie »

ja wir bleiben bei PN
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